Vortragsbild

Automatisierte Überwachung weiträumiger Infrastrukturen in der Oberstadt Cochem

G. Weithe
, Dipl.-Ing.
, Alpine BeMo Tunnelling GmbH, Werne
P. Sterzik
, Dipl.-Ing.
, Alpine BeMo Tunnelling GmbH, Werne
08. März 2012 | 13:50 Uhr

1 Projekt Neuer Kaiser-Wilhelm-Tunnel

Zur Sanierung und Aufrüstung der Bahnstrecke 3100 von Koblenz nach Trier wird im Auftrag der Deutschen Bahn eine neue zweite Tunnelröhre parallel zum Alten Kaiser-Wilhelm-Tunnel bei Cochem gebaut. Im Zuge der Erneuerungsmaßnahme wird auch der ca. 4.200 m lange Alte KaiserWilhelm-Tunnel saniert und an die neuen Sicherheitsstandards der Deutschen Bahn angepasst.

Der Neue Kaiser-Wilhelm-Tunnel mit 4.242 m Länge wird von der ausführenden Baufirma Alpine BeMo Tunnelling GmbH (ABT) mittels Tunnelvortriebsmaschine (TVM) mit einem Ausbruchsdurchmesser von 10,12 m aufgefahren. Die Bodenverhältnisse teilen die Vortriebsstrecke in einen ca. 3.750 m langen Abschnitt mit Sand- und Tonstein sowie einen Lockergesteinsbereich mit rund 500 m Länge, den die Dual-Mode TVM im geschlossenen Erddruck-Modus bis zum Durchschlag in der Cochemer Innenstadt bewältigt.

2 Automatisches Geomonitoring

Hierbei unterquert die TVM in diesem 500 m langen Streckenbereich zahlreiche Gebäude und Straßen der Cochemer Oberstadt mit teilweise nur ca. 3 m Überdeckung zwischen Tunnelfirste und den Fundamenten der Gebäude. Die Unterfahrung der kritischen Bebauung wird durch gezielte Bodenverbesserungsmaßnahmen und vorlaufende Hebungsinjektionen in Verbindung mit einem aufwändigen Messprogramm angegangen. Trotz Permanentüberwachung mit einer Vielzahl von Sensoren gilt die Unterfahrung der Extremlage mit nur 3 m Überdeckung bei fünf Gebäuden im Bereich der Oberbachstraße 14 - 16b als heikel. Insgesamt liegen in einem 30 m breiten Areal über der Tunneltrasse ca. 80 Gebäude im Einflussbereich der Tunnelvortriebsarbeiten. Um Schäden an den Gebäuden frühzeitig zu erkennen, werden alle betroffenen Bauwerke sowie Straßen- und Geländepunkte rund um die Uhr auf resultierende Baugrundbewegungen überwacht. Parallel hierzu erfassen hochgenaue hydrostatische Drucksensoren der Firma GeTec GmbH in den kritischen Gebäuden Deformationen im Submillimeterbereich. In der extremen Phase laufen alle Informationen in einem oberirdischen Steuerstand der Keller Grundbau GmbH zusammen. Vom Injektionsschacht aus können bei Bedarf zeitnah gezielte Hebungsinjektionen unter den Gebäuden ausgeführt werden.

Gemeinsam mit der Bruchsaler VMT GmbH entwickelt die Abteilung Messtechnik der ABT GmbH Niederlassung West mit Sitz in Werne ein umfangreiches Mess- und Systemkonzept zum automatisierten Deformations-Monitoring der Objekte mit Echzeit - Datentransfer bis zum Schildfahrer im Steuerstand der Tunnelvortriebsmaschine. Das neu entwickelte "Customized Monitoring System TUnIS Geomonitoring" der VMT GmbH wird modular an die speziellen Anforderungen zur Überwachung der Anlagen und Bauwerke angepasst. Die fortlaufenden Messungen des Deformationsnetzes erfolgen automatisch durch motorisierte Tachymeter vom Typ Leica TS30. Zur Steigerung der Genauigkeit und der Zuverlässigkeit der Ergebnisse werden zusätzlich GNSS Basislinien automatisch prozessiert und gemeinsam mit den terrestrischen Messungen in einer Netzausgleichung durch die Software GOCA ausgewertet. Zur Erfassung von Bewegungen im Untergrund wurden zusätzlich insgesamt drei Extensometer - Messquerschnitte installiert.

Eine gesicherte Datenkommunikation garantiert eine lückenlose Überwachung der Objektpunkte in Echtzeit mit automatischem Alarmmanagement. Sobald die vorab definierten Grenzwerte überschritten werden, wird eine Alarmierung des berechtigten Personenkreises ausgelöst. Die Ergebnisse werden im Tunnelinformationssystem IRIS geomonitoring zusammen mit den Prozessdaten des Tunnelbaus und den Maschinendaten gesammelt, dargestellt und im benutzerdefinierten Reportmanagement archiviert. Die zuständigen Ingenieure, Bauleiter, Vermesser sowie die Bauüberwachung haben somit jederzeit Zugriff auf alle notwendigen Informationen und Daten.

Die erfassten Daten werden hierbei in einem Geosensornetzwerk zusammen geführt und an die Software TUnIS übertragen, welche die Datenauswertung und statistische Qualitätskontrolle übernimmt. Anschließend stellt die Software IRIS.geomonitoring die ausgewerteten Daten allen Projektbeteiligten zur Verfügung.

3 Systemmerkmale und Komponenten

Das oberirdische Automatische Monitoring in der Cochemer Oberstadt besteht im Überblick aus folgenden Systemmerkmalen und Komponenten:

  • Modularer Systemaufbau für projektbezogene Zusammenstellung der Hard- und Software in Cochem
  • Installation von mehr als 150 Objektprismen
  • 12 Tachymeterstandpunkte, vortriebsabhängig mit bis zu neun Leica TS30 besetzt
  • GNSS Erweiterung zur Steigerung der Zuverlässigkeit sowie zur Besetzung von Objektpunkten
  • Installation von geotechnischen Messquerschnitten mit vollautomatischer Messung von Stangenextensometern
  • Vollautomatische Echtzeitauswertung, Datenaufbereitung, Alarm- und Reporting Management
  • Visualisierung der Ergebnisse im gesamten Baustellennetzwerk über die gesicherte Internetplattform IRIS (Integrated Risk and Information System)

4 Unterfahrung der Oberstadt im Oktober / November 2011

Die detaillierte Planung der oberirdischen Messtechnik beginnt bereits im Dezember 2010 mit dem Entwurf eines Messprogramms. Das Konzept sieht vor, dass alle Gebäude im Unterfahrungskorridor von 30 m Breite in die Permanentbeobachtung einbezogen werden. Die Installation von hydrostatischen Druckschlauchwaagen beschränkt sich auf die Gebäude im Bereich der Hebungsinjektionen. Alle anderen Gebäude sollen mit hochpräzisen Tachymetern überwacht werden. Hierbei fällt die Wahl der Sensoren auf die Baureihe TS30 der Firma Leica Geosystems, da nur diese Instrumente im Hinblick auf die geforderte Genauigkeit der Messergebnisse und den zu messenden Distanzen den Projektanforderungen entsprechen. Die technische Ausrüstung zur Installation der Systemkomponenten übernimmt die Fa. Goecke GmbH, Schwelm mit einem neuen Schutzsystem für die Tachymeter. Durch spezielle Konsolen mit GeoMonitoring 2012

Überdachungen und Kunststoffblenden können die Instrumente kostengünstig vor Wettereinflüssen und Vandalismus geschützt werden. Durch das neuartige Schutzsystem sind die Instrumente nicht mehr sichtbar und die Vorrichtungen werden von Passanten eher für Beleuchtungskörper gehalten. Bei allen Instrumentenstationen kann somit auf eine teure Einhausung verzichtet werden. Bevor die herannahende Tunnelvortriebsmaschine die Siedlung erreicht, wird das System in Betrieb genommen zunächst getestet. Mit Beginn der Unterfahrung im Oktober 2011 sind kleinere Störungen behoben und das Geomonitoring nimmt den Betrieb mit hoher Zuverlässigkeit und Genauigkeit auf. Da bei maschinellen Vortriebsarbeiten im Gegensatz zum konventionellen Tunnelbau weniger Möglichkeiten zur Messung der untertägigen Verformungen bestehen, kommt dem Geomonitoring an der Infrastruktur bei diesem Projekt eine besondere Bedeutung zu.

Die Projektbeteiligten haben jederzeit und von jedem Ort aus Zugang zu den aktuellen Messdaten. Ein Bildschirm im Steuerstand der Vortriebsmaschine zeigt in Echtzeit die aktuelle Maschinenposition im Satellitenfoto und sämtliche Sensoren an der Oberfläche mit den aktuellen Messergebnissen. Somit kann jederzeit auf kritische Werte reagiert werden.

Die Unterfahrung der Gebäude kann Anfang November erfolgreich abgeschlossen werden. Im kritischen Bereich an der Oberbachstrasse geht das Kalkül der Planer auf: die Vorhebung der Gebäude entspricht in etwa den Gebäudesetzungen und der Komplex wird ohne nennenswerte Schäden unterfahren.

Am 07.11.2011 schlägt die Tunnelvortriebsmaschine in der Innenstadt Cochem nach 4.300 Metern Schildfahrt mit hoher Präzision durch. Ohne den hohen Stand der Injektions- und Messtechnologie und den verlässlichen Betrieb des Automatischen Geomonitoring hätte man dieses anspruchsvolle Projekt mit dieser Trassenführung nicht realisieren können.